Was gibt es aus Schleswig-Holstein Positives „von der Gemeinschafts­schul­front“ zu berichten – angesichts einer Landesregierung, die ihre Kürzungspolitik explizit zum Nachteil unserer Schulform ausübt?

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An den unverhältnismäßigen Einschnitten in Kontingentstundentafel und Lehrkräfteversorgung der Gemeinschaftsschulen hat sich ja, zumindest vorläufig, auch durch den Wechsel der zuständigen Ministerin nichts geändert.

Vielleicht immerhin dies: Der Widerstand wächst. Nach anfänglich eher dezenten Protestformen („Der letzte Cent für Bildung“) hat die Landes-GEW nun eine große Unterschriftenaktion „Stoppt die Kürzungen“ gestartet, die hoffentlich in diesen ersten Wochen des neuen Schuljahres die nötige Aufmerksamkeit bekommt. Seitens der GGG Schleswig-Holstein gibt es volle Unterstützung, s. Pressemitteilung von Johann Knigge-Blietschau vom 18.d.M.1

Die Solidarität freut uns besonders, nachdem die GEW sich bundesweit eindeutig für das gemeinsame Lernen ausgesprochen hat. Nun müssen wir diese Position auch an Landespolitiker*innen heranbringen, die sich möglicherweise noch nicht bewusst gemacht haben, wie scharf John Hattie das segregierte deutsche Schulsystem mittler-weile kritisiert. (Wenn sie ihn schon zitieren, vgl. NDR-Sendung vom 17.d.M.)2

Wenn es nach den Eltern ginge, hätten wir schon viel mehr gemeinsames Lernen im Land – vor allem in Verbindung mit höheren Schulabschlüssen. 2025 bekamen, wie jedes Jahr in Schleswig-Holstein, rund tausend Kinder nicht den gewünschten Platz an einer Gemeinschaftsschule mit Oberstufe: Das entspricht rund 20% der tatsächlichen Aufnahmen an dieser Schulform. An Gemeinschaftsschulen ohne Oberstufe konnten immerhin 3% der Kinder nicht ihren Erstwunsch verwirklichen, während an Gymnasien nur 1,8% derart enttäuscht wurden.

Nun liegt es nicht allein an der Landesregierung, wenn das Angebot die Nachfrage nach Gemeinschaftsschulplätzen noch lange nicht decken kann. Manche Schulen können oder wollen, oft aus verständlichen Gründen, keine eigene Oberstufe „draufsetzen“; weiterhin sind die Anforderungen dafür zu hoch und traditionell gymnasial definiert. Aber dass Jahr für Jahr die schleswig-holsteinischen GemSO-Kandidat*innen zehnmal so häufig wie Gymnasiast*innen in ihrer Schullaufbahn frustriert werden, ist doch einfach nicht fair! Zumal die Gymnasien auch nach der sog. Orientierungsstufe in großen Zahlen schrägversetzen – dann häufig aber in Gemeinschaftsschulen ohne Oberstufe, was die „geknickte“ Schullaufbahn weiter erschwert!

Während in Schleswig-Holstein der Bedarf an Gemeinschaftsschulplätzen also bei Weitem nicht gedeckt ist, „zünden“ einige Schulen des gemeinsamen Lernens bereits die nächste Stufe und stellen vom Berichtszeugnis in der Unter- und frühen Mittelstufe auf Portfolio-Beurteilungen um. Dies ist noch eine relativ junge Entwicklung, fördert aber die Selbstregulierung und Lernmotivation. Darüber können wir demnächst gerne genauer berichten.

Fortschritte im Kleinen sind allerdings auch von Seiten des Ministeriums angekündigt oder in Arbeit.

So ist nach einer Initiative der GGG die Ungleichbehandlung von Gemeinschaftsschulen ohne Oberstufe und Gemeinschaftsschulen mit Oberstufe als Problem anerkannt worden. In Schleswig-Holstein unterstehen nämlich die Gemeinschaftsschulen ohne Oberstufe der unteren Schulaufsicht, den Schulräten. Diese sind Beamte des Ministeriums, sind aber vor Ort in den Kreisen. Sie üben eine sehr kleinteilige Aufsicht aus, die die Schulleitungen vielfach als Gängelung empfinden. „Kleine Bildungs-Napoleons“, so drückte es ein langjähriger Schulleiter aus. Die GGG fordert, dass sie den Gemeinschaftsschulen mit Oberstufe gleichgestellt werden. Diese unterstehen der oberen Schulaufsicht, also dem Ministerium. Dadurch haben diese Schulen deutliche mehr Handlungsspielräume. Das Ministerium will der GGG und den Schulleitungen der GemS ohne Oberstufe jetzt entgegenkommen: Es soll eine landesweite Dienstversammlung der Schulleitungen der Gemeinschaftsschulen ohne Oberstufe unter Leitung des Ministeriums durchgeführt werden.

Der GGG geht das nicht weit genug. Wir planen zwischen April und Juni 2026 eine Konferenz der Gemeinschaftsschulen ohne Oberstufe, auf der eine Resolution mit Forderungen verabschiedet werden soll, die Stellung der Gemeinschaftsschulen ohne Oberstufe zu verbessern – darunter auch die Angleichung der Schulaufsicht. Anlass wird eine Große Anfrage der SPD-Landtagsfraktion zur Lage dieser Schulen sein.

Kleine Fortschritte gibt es bei der Ausbildung für das Fach Gesellschaftswissenschaften, das in Schleswig-Holstein Weltkunde heißt. So ist im März 2025 eine Anweisung des Ministeriums ergangen, im Sommer 2026 mit einer integrierten Ausbildung der Fächer Geographie, Geschichte und Wirtschaft/Politik für das Lehramt Sekundarstufe I (Gemeinschaftsschulen) in der zweiten Phase der Lehrkräfteausbildung zu beginnen. Die Diskussion über die Ausgestaltung dieser Ausbildung hat begonnen.

1 https://ggg-web.de/aktuell-sh/aktuell-nur-sh

2 https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/nord-spd-erster-stimmungstest-fuer-serpil-midyatli-und-ulf-kaempfer,spd-656.html